Benutzer-Werkzeuge


Camino Mozarabe
Von Abla bis Alcalá la Real

1: Provinz Almería
2: Provinz Granada
3: Provinz Jaén
4: Provinz Córdoba
5: Provinz Badajoz


[28.07.2024] Von Abla nach Huéneja

An diesem Tag habe ich mit 20 km eine entspanntere Etappe vor mir. Die ganze Ebene wird landwirtschaftlich genutzt, erst Gewächshäuser, anschließend Mandel- und Olivenbäume so weit das Auge reicht.

Im Hintergrund die Gebirgslandschaft der Sierra Nevada, „Verschneites Gebirge“, das zu dieser Jahreszeit jedoch schneefrei ist. Der letzte Teil durch das mit Geröll gefüllte Flussbett wird etwas unwegsam.

Dafür stehen hier riesige Bäume mit leckeren Früchten, die Brombeeren ähnlich sind. Da die Früchte mir unbekannt sind, probiere ich nur wenige, auch wenn man sich hier den Bauch vollschlagen könnte. Erst später erfahre ich, es sind Maulbeeren und daher ungiftig.

In der Herberge in Huéneja bin ich wie zuvor der einzige Pilger und habe die gesamte Unterkunft wieder für mich alleine. Das Wappentier von Huéneja ist der Wolf, dem dieses Graffiti gewidmet ist.


[29.07.2024] Von Huéneja nach Alquife

Inzwischen hat es sich bewährt, früh zu starten, um die nachmittägliche Hitze zu vermeiden.

Den ersten Ort, Dolár ereiche ich kurz vor 9 Uhr. Hier werden gerade Marktstände aufgebaut. An der Kirche laufe ich vorbei, plötzlich kommt ein Rucksackträger aus einer Seitenstraße und läuft vor mir her. Instinktiv laufe ich hinterher, der Mann wird den Weg schon kennen. Er ist etwas schneller als ich und aus ich aus dem Ort hinauslaufe, ist er bald außer Sichtweite. So wie die Wegweiser. Kein einziger mehr. Irgendwann wird mir bewusst, dass der Mann mich in die Irre geführt hat. Frechheit! Zurück in Dolár, kommt mir in den Sinn, mich zurück zum Marktstand zu begeben. Dort herrscht mittlerweile reges Treiben. Ich stelle mich an das Ende der Schlange von 5 Leuten. Die Frau, die gerade bedient wird, nimmt offenbar einen Großeinkauf vor. Eine Tüte nach der anderen füllt sich. Tomaten, Weintrauben, eine halbe Melone, und, und, und … Als sie nach 20 Minuten weiter einkauft, gebe ich es auf. Aus Dolár heraus, schaue ich auf die Uhr. Fast eine Stunde habe ich hier verloren!

Es geht einen Ort weiter, in Ferreira sind noch Reste eines maurischen Turmes rekonstruiert.

Was ich bald sehe, ist aber wirklich beeindruckend. Eine riesige Burg, die sich auf einem Hügel erhebt und schon von weitem zu sehen ist.

Diese befindet sich in La Calahorra und ist nicht maurischen Ursprungs, wie ich zuerst denke, sie wurde im 16. Jahrhundert von der Gegenseite erbaut. In Alquife, dem Ziel der Etappe, bekomme ich diesmal einen Platz in eher privaten Herberge. Und ich habe endlich mal etwas Gesellschaft auf dem Camino. Der Supermarkt des Ortes hat leider nachmittags geschlossen. Einem Dauerbewohner der Herberge, einem Rentner aus Deutschland, klage ich mein Leid. Er schenkt mir Pasta, Bolognese-Sauce, Thunfisch, Öl, Zwiebel und Tomate und Gewürze. So kann ich mir ein reichhaltiges Abendessen zubereiten.

In Alquife befindet sich auch eine riesige Eisenmine.


[30.07.2024] Von Alquife nach Guadix

Den pensionierten Dauerbewohner der Herberge treffe ich am frühen Morgen. Er erzählt mir, dass es im Zaun um das Minengelände ein Loch gäbe. Man könnte dann einen Hügel hinaufsteigen, nur von dort allein sähe man einen glasklaren See. Das wäre beeindruckend. Günter kennt sich aus. In den vielen Jahren, die er hier lebt, hat er die weite Umgebung erkundet.

Wenig später laufe ich am Zaun entlang. Die Stelle finde ich tatsächlich. Ich gehe durch das Loch im Zaun und ignoriere das „Betreten verboten“-Schild. Doch der Aufstieg auf den riesigen Geröllhaufen mit ein paar Grasbüscheln zwischendrin stellt sich als schwierig heraus, sodass ich den Rucksack erstmal unten stehen lasse und allen Vieren hinaufklettere. Der Hang wird immer steiler und rutschiger. Plötzlich verliere ich den Halt, kann mich gerade noch drehen und auf den Hosenboden setzen, um unfallfrei hinunterzurutschen. Unten angekommen, fluche ich stumm, schnappe mir meinen Rucksack und setze den Weg fort.

Noch am Vormittag habe ich das weitläufige Minengelände und Mandelplantagen hinter mir gelassen und es geht in eine Hügellandschaft.

Spannend, hier gibt es auch einige Höhlen direkt am Wegrand und ich wage einen Blick hinein. Dort wohnen jetzt Geister drin!

Nach dem Schreck folge ich dem Weg über eine Bergkuppe und nach einer Verschnaufpause in Jérez del Marquesado gibt es bald eine interessante Ruine zu sehen. Eine alte Eisenfabrik, die von 1845 bis 1955 genutzt wurde. In der Nähe hindert mich ein Zaun, die Gebäude aus nächster Nähe zu inspizieren.

An einem Stausee vorbei, einen linealförmigen Weg entlang und ich erreiche in Cogollos de Guadix eine Bar.

Die Gelegenheit für eine Pause mit Tortilla und Bier. Neben der Kirche fülle ich noch meine Wasservorräte auf.

Auf den letzten 11,6 Kilometer durch eine trockene Landschaft muss mein Nasses-T-Shirt-als-Kopfbedeckung-System zeigen, dass es bei über 35 Grad auch als Aircondition funktioniert. Und es wirkt hervorragend! Dank starkem Wind kühlt es derart gut, dass ich mich bei der Hitze in keiner Weise unwohl fühle.

Der Zielort der Etappe ist phänomenal. Guadix gleicht amerikanischen Nationalparks, nur dass in den Canyon zahllose Höhlenwohnungen hineingebaut wurden. Diesmal bekomme ich einen Platz in einer privaten Herberge. Da ich einige Tage keine Wäsche mehr gereinigt habe, nutze ich hier die Gelegenheit zum Waschen. Finde aber nichts Besseres zum Trocknen als eine öffentliche Parkbank auf dem Platz vor der Herberge. Wird schon keiner klauen.

Während sie trocknet, besichtige ich noch die Kathedrale und steige auf ihren äußert hohen Turm. Der Ausblick von oben ist nichts für nicht schwindelfreie Personen, außerdem herrscht hier starker Wind.

Nach der Besichtigung schnell einkaufen, Fertig-Paella zum Aufwärmen, ein paar Bier dazu und es geht zurück zur Unterkunft. Vor der Herberge bekomme ich einen Schreck. Was hängt dort auf der Parkbank? Nichts!

Als ich eintrete, bin ich erleichtert. Dort liegt meine Wäsche. Ordentlich gefaltet. Beim Abendessen erscheint der Verwalter, spricht mich an und erklärt, es gäbe auch eine Dachterrasse zum Trocknen. Die erreicht man durch einen Vorhang und eine Treppe hinauf.

Etwas versteckt, da der Teil der Herberge noch eine größere Baustelle ist. Doch der Ausblick ist genial. Gerade kann man die Kathedrale im Sonnenuntergang sehen.


[31.07.2024] Von Guadix nach La Peza

Morgens führen mich die Markierungen in einem Zick-Zack-Kurs durch die Stadt. Nach einem anschließenden Marsch durch Olivenhaine befinde ich mich in der Wildnis. Und diese Wildnis stellt sich als sehr spannend heraus.

Es gibt Höhlen zu erkunden! An der Einrichtung ist zu erkennen, dass diese einst bewohnt sein müssten. Nicht zuletzt vor 600.000 Jahren, dem Zustand nach noch vor wenigen Jahrzehnten.

In einer der Höhlen ist sogar ein alter Traktor zu finden.

Nach einem Waldweg wird man durch eine enge Schlucht geführt. Einst könnten unvorsichtige Händler-Karawanen durch diese Engstelle gezogen sein, um überfallen und von Western-Helden wie Clint Eastwood wieder befreit zu werden. Dies wäre die passende Kulisse. In dieser Gegend wurden ja einige Westen gedreht. Nur die auf abenteuerliche Weise verlegte Stromtrasse stört das Bild.

Zur Mittagszeit erreiche ich den malerischen Ort Marchal. Die Häuser sind wie an den Felsen geklebt, genau genommen teils hineingebaut. Hier hat man sich alle Mühe gegeben, mehrere „Miradores“ herzurichten, besondere Aussichtspunkte, die einen idealen Blick auf die Schlucht bieten. Sehr gelungen, teils noch in Arbeit. Da ich immer alle Aussichtspunkte abklappern muss, ist mittlerweile der Nachmittag angebrochen. Bis zur nächsten Ortschaft Los Baños ist es nicht weit, dort gibt eine Bar direkt am Weg. Und in dieser Bar erwartet mich ein frisch gezapftes, eisgekühltes, herrliches, leckeres Bier. Unglaublich, wie gut so ein Gerstensaft nach einem Marsch bei diesem Wetter schmeckt.

Und dieser Marsch ist noch nicht zu Ende. Ich habe gerade mal die Hälfte der Etappe geschafft. Bevor es weitergeht, füllt die nette Dame in der Bar meine Trinkflaschen. Wasser ist jetzt überlebenswichtig, denn nach dem direkt anschließenden Ort Graena folgt eine 8,9 km lange Durchstrecke. Und die ist nicht gerade gut markiert.

Interessanterweise hilft mir hier die Navigations-App „Waze“ sehr gut weiter, die eigentlich nur für Autos gedacht ist. Google Maps hat sich, wie schon öfters auf diesem Weg, als unbrauchbar erwiesen.

Der Navigation folgend geht es durch Olivenhaine, bis ich eine geteerte Straße erreiche. Noch 6 Kilometer fehlen bis zum Ziel. Die Sonne brennt. Kein Schatten. 41 Grad soll es jetzt sein. Per Anhalter käme ich nicht weiter, kein einziges Auto ist unterwegs. Das Wasser muss reichen. In dieser Gegend wurde übrigens auch „Lawrence von Arabien“ gedreht. Kommt mir unterwegs in den Sinn. Erstaunlich, aber mit dem nassen-T-Shirt-auf-dem-Kopf-Sytem fühle ich mich noch nicht mal unwohl. Nur das Trinkwasser schmeckt nicht mehr besonders. Hätte ich jetzt eine Tasse und einen Teebeutel dabei, könnte ich aus der heißen Brühe vielleicht jetzt etwas Leckeres zaubern.

Gut, dass ich mich diesmal nicht verlaufen habe. Der zunehmend knapp werdende Wasservorrat reicht gerade noch bis zum Ziel, La Peza. Die Herberge befindet sich auf einem Gemeindegrundstück. Direkt gegenüber einer Mucki-Bude. Aus der ist ein beständiges Stampfen zu hören, das sich wie eine schwere Wasserpumpe mit starker Unwucht anhört. Soll wohl Musik sein. Und animieren zum Gewichte stemmen.

Heute bin ich wieder der einzige Pilger in der Herberge. Ein ganzes Haus, für mich allein.


[1.08.2024] Von La Peza nach Tocón de Quéntar

Als Etappenvorschlag lese ich bei „Gronze“ für heute den Weg von La Peza bis Quéntar. Mich interessiert noch, was „La Peza“ eigentlich bedeutet. Normalerweise bekommt man leicht eine passende Übersetzung. Doch in diesem Fall handelt es sich um eine Abwandlung von dem lateinischen Namen „Lapis“, was „Stein“ bedeutet. Hier gab es demnach einen Steinbruch.

Für etwas anderes finde ich jedoch keine Antwort. Wie ich so eine Etappe schaffen soll. Laut Plan sind es 27,1 Kilometer mit mehreren Auf- und Abstiegen. Ohne einen Ort zwischendrin, um Wasservorräte auffüllen. Unter anderen Umständen eine Herausforderung, aber unter den aktuellen Bedingungen traue ich mir das nicht zu. Derzeit hat eine Hitzewelle die Gegend fest im Griff. Um die 40 Grad. 22 Kilometer am Vortag waren gerade noch zu schaffen.

Es gibt aber einen Ausweg. In Tocón de Quéntar, einem Ort etwas abseits der Route, der ungefähr in der Mitte der Etappe liegt, befindet sich sogar eine Pilgerherberge.

So komme ich diesmal früh am Tag an, bereits um 13 Uhr. Den Rest des Tages verbringen wir mit Kaffeetrinken oder die Vorräte der Herberge aufzubrauchen aufbrauchen. Und damit, ab und zu vor die Tür zu treten, um zu prüfen, ob die Temperatur heute wirklich so schlimm ist. Jedes Mal bekomme gleich die Bestätigung, dass es bei 40 Grad plus draußen wirklich nicht auszuhalten ist.


[2.08.2024] Von Tocón de Quéntar nach Granada

Die Hitzewelle ebbt laut Wetterprognose ab, statt 40 Grad soll es heute milde 35 Grad geben. Wenn ich früh starte, kann ich die zweite Hälfte der gestrigen Etappe nachholen und anschließend noch die 16,8 Kilometer bis Granada bewältigen. Zusammen 32 km. Das ist realistisch.

Nach einem kurzen Abschnitt finden wir uns in einer grünen Bergidylle wieder. In Serpentinen hinauf und wieder hinab, bis wir ein Gelände durchqueren, in dem Kalkstein abgebaut wird.

Bis Quéntar ist es dann noch ein längeres kurviges Stück abwärts, an Olivenhainen vorbei, bis ich endlich die ersten Häuser erreiche. Mittlerweile ist es zwar warm geworden, hält sich aber in Grenzen. Wasserflaschen an einer der zahllosen Brunnen auffüllen, dann verlasse ich Quéntar und durchquere wenig später Dúdar.

Ab hier geht es steil bergauf und hier beginnt eine lange Durchstrecke von 14,5 Kilometern. Sind 2,5 Liter Wasser dafür nicht ein bisschen wenig, frage ich mich beim Aufstieg.

Auf der Höhe finde ich die Reste eines Aquäduktes. Dort, wo sich einst die Quelle befand, steht nun ein verschlossenes Gebäude. Also muss ich mit den Vorräten auskommen, die ich dabei habe.

Lange Zeit ist dies ein ruhiger Höhenweg, der angenehm zu laufen ist. Und kaum zu verfehlen. Neben neuen Wegmarkierungen sind auch alle, verwitterte „Monolithe“ immer in Sichtweite.

Der natürliche Abschnitt des Weges endet, als ich vor einer Ruine eines größeren Gebäudes. Hacienda de Jesús del Valle nennt sich dieser Ort, der mit einigen Graffiti verziert ist und wohl auch ein beliebtes Ausflugsziel ist.

Kurz vor Granada. Von einem „Mirador“ aus ist die Alhambra schon in Sichtweite. Hier gibt es auch eine Sehenswürdigkeit namens Abadía del Sacromonte. Heute habe ich viel Zeit, etwas zu besichtigen, da ich erfahren habe, dass in meiner Unterkunft erst ab 9 Uhr abends jemand anwesend wäre, der mich hineinlassen kann. In die Klosterherberge San Bernardo. Also nehme ich mir Zeit, Sacromonte zu besichtigen.

Es ist eine wissenschaftliche Abtei und eine der ersten privaten Universitäten. Interessant ist die überall präsente Symbolik, der Davidstern in Kombination mit christlichen Darstellungen der Kreuzigung. Hier vereint sich beides.

Bevor ich in die Herberge einziehe, besorge ich mich schnell noch ein paar Empanadas und dazu Bier. Hier bekommt man keinen Schlüssel, kann also später nicht mehr hinein, falls man einmal durch das Tor hinausgeht. Und die Klosterbrüder selbst sind heute nicht anwesend, sie hatten nur kurz eine Dame vorbeigeschickt, um mich hineinlassen.

Abends höre ich, wie draußen der Bär tobt. Leider kann ich mir das Spektakel auf den Straßen nicht anschauen, sonst müsste ich dort auch die ganze Nacht verbringen. Und dafür bin ich nach der langen Etappe heute zu erschöpft.


[3.08.2024] Ein weiterer Tag in Granada

Für heute habe ich mir vorgenommen, einen Tag Wanderpause einzulegen, um die geschichtsträchtige Alhambra zu besichtigen. Dankenswerterweise erlauben mir die Herbergsverwalter eine zweite Übernachtung.

Die Alhambra, die sich majestätisch über der Stadt erhebt, ist eine äußerst weitläufige Burganlage. Um bei der Besichtigung möglichst alles zu sehen, brauche ich tatsächlich den ganzen Tag.

Es beginnt mit Gärten, in denen zahlreiche Springbrunnen munter sprudeln und kleinen Wasserfällen. Da Andalusien sonst sehr trocken ist, ein ziemlicher Kontrast, dass es auf der Alhabra nie versiegende Wasserquellen gibt.

Der einstige Herrschersitz des Emirates von Granada wurde 1492 nach dessen Kapitulation von den „Reyes Católicos“ eingenommen, den sogenannten katholischen Königen. Damit hatten diese sich ein besonders wertvolles Land mit Wasserreichtum eingeheimst. Und zugleich der muslimischen Herrschaft in Spanien das Ende bereitet.

Auf dem Gelände kann man sich allgemein frei umsehen. Was mir auffällt, ist die starke orientalische Präsenz und den Besuchern. Als wäre Granada nie gefallen. Einzig für die Besichtigung des muslimisch geprägten Palastes, den Palacios Nazaries, ist eine bestimmte Zeit vorgesehen. Nach zwei Stunden ist es endlich so weit, und ich kann das Highlight besichtigen. Dies kann man besser in folgenden Bildern sehen. Ich bedauere etwas, der arabischen Sprache nicht mächtig zu sein. Sonst könnte ich die ganzen Inschriften an den Wänden verstehen. Ist wie Graffiti, nur einige Jahrhunderte früher entstanden.


[4.08.2024] Von Granada nach Moclín

Eigentlich wäre die nächste Etappe von Granada bis Pinos Puente. Doch in Guadix hatte ein Radfahrer mir erzählt, Pinos Puente wäre kein guter Ort, den sollte man lieber vermeiden.

Beim Studium des Plans mit passenden Unterkünften gibt es nur die Möglichkeit, zwei Etappen an einem Tag zu wandern. Beide sind eher kurz. Zusammengerechnet 33,3 Kilometer. Das würde gehen. Zudem hat die Hitze nachgelassen, nachmittags lässt es sich einigermaßen aushalten.

Also los!

Der Etappenbeschreibung zufolge wandert man noch lange durch Großstadtgebiet, das direkt in die Stadt Maracena übergeht. Danach folgt bis Pinos Puente eine lange „Asphaltpiste“, die nur durch den Ort Atarfe unterbrochen wird. Und am Ziel, würde man nichts an Annehmlichkeiten finden.

Meine Erwartungen sind nicht besonders hoch. Tatsächlich bietet der Weg bis Atarfe nicht allzu viel Besonderes. Nachdem ich den Ort Atarfe verlassen habe, sehe ich zu meiner rechten Seite die Ruine einer verfallenen Fabrik. Mann, ist das heruntergekommen in dieser Gegend! So denke ich erst, bis mir auffällt, dass die Gebäude der Fabrik noch kaputter sind als gewohnlich. Und alles komplett mit Graffiti bemalt. Zwar warnen Schilder mit dem Hinweis „Privat“ und „Betreten verboten“, aber irgendwie ist das ganze interessant.

Ein Tor der Umzäunung ist halb geöffnet. Ich will mir das Gebäude mal aus der Nähe ansehen. Plötzlich höre ich wildes Gekreische von Vögeln, im nächsten Moment wildes Getrappel.

Eine Herde von Rehen ergreift vor mir die Flucht. Die Natur ist sich dieser Platz zurückerobert. Zum Teil zumindest. Als ich mich weiter umsehe, bin ich begeistert. Graffiti über Graffiti. Wahre Kunstwerke! Hier und da gibt es Treppen, die man hochsteigen könnte. Das erscheint mir aber zu riskant, da der Beton sichtbar brüchig ist. Der Besuch hat sich gelohnt. So etwas wie diese Ruine habe ich noch nie gesehen.

Ein paar Kilometer weiter, in Pinos Puente, sehe ich plötzlich ein großes, sehr gut besuchtes Lokal, das es laut Plan nicht geben würde. Als ich mir dort ein Bier bestelle, erfahre ich, es gäbe dazu gratis eine Platte mit „Albondigas en Salsa de Tomate“ und Pommes dazu. Vermutlich hat das Lokal erst kürzlich eröffnet und dies ist eine Werbeaktion. Danach muss ich weiter, denn ich habe mir bereits einen Platz in Moclín reserviert.

Außer der Straße und endlosen Plantagen von Olivenbäumen sieht man auf dem weiteren Weg nichts Bemerkenswertes. Der Ort kurz vor dem Ziel nennt sich passenderweise „Olivares“. Hier lege ich eine Pause bei einem Bier ein. Und einem zweiten. Die restlichen 3,3 Kilometer sind doch ein Klacks, denke ich. Das Bier steigt schnell zu Kopf. Kein Wunder bei der Hitze. Als ich aus der Bar torkele und zufällig das Höhenprofil der Etappenbeschreibung aufrufe, kippe ich fast aus den Sandalen.

Die letzten 3,3 Kilometer führen von 600 Höhenmeter auf 1000 Meter steil bergauf! Was für eine böse Überraschung! Die letzten Kilometer werden richtig hart. Langsam schnaufe ich mich hinauf, Höhenmeter für Höhenmeter.

In Moclín habe ich wieder eine Unterkunft für mich alleine. Balcón de la Plaza nennt sich diese - da ich in der Herberge nichts bekommen hatte, habe ich hier eine „Habitación individual“ reserviert. Diese beinhaltet ein Esszimmer, in dem 8 Personen Platz hätten, eine Couchecke mit Riesenfernseher, Küche, Bad, Lesezimmer neben dem Schlafraum im oberen Stockwerk. Und einen Balkon. Auch eine Terrasse. Sogar einen Lift gibt es. Den ich aber nicht ausprobiere. Aufgrund schlechter Erfahrung mit Aufzügen in Hotels.

Vor der Unterkunft werden Abends einige Tische und Stühle aufgestellt. Heute Abend findet eine Fiesta statt, erfahre ich. Doch vorher will ich ein Restaurant ausprobieren, das die Vermieterin mir empfohlen hat. Dort gibt es ein Angebot, Tapas plus Getränk jeweils 3,5 Euro. Ich gönne mir vier. Danach bin ich pappsatt.

Auf dem Platz spielt eine Band, als ich zurückkehre. Eine Weile höre ich zu. Der Sänger trägt ein T-Shirt mit dem gelben Pfeil und singt dazu passend von Pilgern und Santiago. Ich bin der einzige Pilger hier, aber das fällt niemanden auf. Von meinem Schlafzimmer in der luxuriösen Unterkunft lausche ich später noch eine Weile der Musik, bis ich in tiefen Schlummer falle.


[5.08.2024] Von Moclín nach Alcalá la Real

Nach dem morgendlichen Aufbruch blicke ich mich immer wieder um. Die Burg von Moclín, die sich auf der Anhöhe befindet, ist immer noch weit zu sehen.

An den Felsen zu meiner Linken erkenne ich Kabel. Der Elektriker, der dort diese Leitungen angebracht hat, muss wirklich ein geschickter Kletterer gewesen sein, denke ich erst. Bis ich die Stufen entdecke, die hinaufführen. Und ein Schild. Das dort an der Felswand sind keine Stromkabel, das ist ein Klettersteig. Meine Begleiter sind neugierig, schon sind sie auf den ersten Stufen. Nur mit Mühe kann ich sie davon abhalten, weiter aufzusteigen. Ohne Sicherung halte ich das für zu gefährlich.

Etwas weiter kommen wir zu einer Wasserquelle. Als ich davon probiere, stelle ich fest, dass es eine deutlich bessere Qualität hat, als bei jeder anderen Quelle zuvor. Während ich das Leitungswasser aus meinen Flaschen leere, um die hier neu zu füllen, kommen zwei Geländewagen angerauscht. Zwei Männer, behangen mit Wasserbehältern, erscheinen. Offenbar ist die Quelle beliebt.

Der Weg selbst ist etwas unattraktiv, teils Asphaltpiste und Olivenbäume. Danach Olivenbäume und nochmals Olivenbäume. Im unscheinbaren Ort Ermita Nueva lege ich eine Pause ein. In der einzigen Bar des Ortes werde ich von dem Eigentümer so zuvorkommend bedient, dass es eine wahre Freude ist. Ein Kaffee, eine Plato Combinado und dazu ein Bier. Als ich bei der Bezahlung noch ein paar Münzen zurücklasse, schellt er laut einer Glocke. Die Tradition ist hier noch lebendig. Nur eine Frage drängt sich mir noch auf, die ich jetzt stelle. „Hay Arresol“ stand am Eingang. Was hat es sich damit auf sich?

Der Mann lächelt, zieht eine große Flasche aus dem Kühlschrank und füllt mir ein kleines Glas. „Das ist Arresol. Ein Kaffeelikör mit Anis“. Nun bin ich sogar schlauer als das Internet. Denn das kennt Arresol nicht.

Alcalá la Real, das Ziel der Etappe, beherbergt eine größere Burganlage. Königin Isabella soll damals hier Stellung bezogen haben, bevor das christliche Heer aufgebrochen war, um Granada einzunehmen. Die Herberge selbst ist angenehm. Im Gemeinschaftsraum befindet sich sogar ein Automat mit gekühlten Getränken. Auch mit Bier. Ausnahmsweise habe ich hier auch Mitbewohner. Es sind aber keine Pilger darunter.


→ weiter auf dem Camino Mozarabe - Provinz Jaén

← Alle Berichte


Seiten-Werkzeuge